TIN in Zeiten von Corona – ein Blick hinter die Kulissen
Obwohl momentan die aktive Vermittlung etwas in den Hintergrund geraten ist haben wir nach wie vor noch gut zu tun. Vieles kann mal aufgearbeitet werden, Bürokram der erledigt werden musste wird endlich mal erledigt. Trotz zahlreicher Vermittlungsanfragen können wir effektiv leider nicht viel tun. Zum Glück gibt es die digitale Welt in diesem Fall, sie hilft uns etwas weiter. Und da etwas Zeit ist, möchte ich Euch mal Gelegenheit geben hinter die Kulissen von unserem Verein zu schauen und die Vereinssituation in der momentanen Corona-Krise erläutern.
TIN hat zwei große „Gebetsbücher“ wenn man so sagen kann, an denen sich alle Aktiven orientieren müssen bzw. die darin enthaltenen Vorschriften einzuhalten haben und beachten müssen. Unser erstes Gebetsbuch heißt – Satzung. Auf Grund der geringen Mitgliederzahl ist die Einhaltung relativ einfach. Einen Tierschutzverein der im Ausland tätig ist kann man nicht mit einem klassischen Verein vergleichen wie man ihn sonst kennt. Daher ist es ratsam, sich auf die wenigen Mitglieder zu beschränken die wirklich aktiv tätig sind um wirksam arbeiten zu können. „Vereinsmeierei“ wie man den Ausdruck so schön kennt, würde viele Entscheidungen verhindern, behindern bzw. hinaus zögern. Auch das war nicht immer so aber jetzt sind wir ein gutes und eingespieltes Team denke ich. Jeder weiß inzwischen wo es darauf ankommt. Als Vorstand hat man natürlich fast immer den schwarzen Peter, auch wenn man mit der eigentlichen Ursache eines Problems oft gar nichts direkt zu tun hat. Eine Bekannte sagte kürzlich zu mir „sie finden Dich alle sch… aber sie brauchen Dich“ Ja so mag es wirklich sein – letztendlich muss ich gerade stehen wenn irgendetwas falsch läuft, sei es eine Abweichung aus Gebetsbuch 1 oder 2 und muss auch Entscheidungen treffen die nicht immer schön sind.
Dann gibt es noch unser anderes Gebetsbuch, es ist schon fast eine Bibel, das ist unsere Erlaubnis vom zuständigen Veterinäramt nach §11 Tierschutzgesetz. Durch diese Erlaubnis ist es TIN möglich, Hunde nach Deutschland zu importieren und es regelt alle Bedingungen die wir erfüllen müssen, beginnend von der Herkunft des Tieres in Ungarn bis zur Nachkontrolle – evtl sogar Rückholung in Deutschland wenn es dort nicht artgerecht gehalten wird, auch gerichtlich (was keine Seltenheit ist)
Während unserer Tätigkeit seit 2011 haben wir ganz tolle Geschichten erlebt, aber auch viel „Unglaubliches“ und es passieren immer wieder Sachen die man einfach nicht glauben kann, wozu der Mensch alles fähig ist. Alleine hierüber könnten wir schon ein Buch schreiben. Aber wir möchten Euch mehr über unsere Tätigkeiten als Verein und Vermittlungen auf Grundlage der Erlaubnis erzählen. Unsere Erlaubnis umfasst inzwischen 18 Seiten! an Punkten die eingehalten werden müssen.
Diese Erlaubnis unterteilt sich in zwei Teile – Vermittlung der Tiere und Tätigkeiten vor Ort. Ich möchte nur einige Beispiele nennen: Wir müssen unsere ungarischen Stationen immer wieder überprüfen woher die Hunde stammen die dort aufgenommen werden. Es ist leider in Ungarn Mode geworden Hunde Zigeunern etc.. abzukaufen um diese dann an ausländische Tierschutzorgas weiter zu geben. Diese werden für einige Vereine sogar extra gezüchtet. Ich denke es ist uns allen klar, daß dies nicht der richtige Tierschutz ist – aber anhand der vielen süßen Fotos auf facebook und Co. kann man das als Außenstehender überhaupt nicht beurteilen. Die Beschreibungen der Tiere entsprechen oft gar nicht den Tatsachen und zeigen natürlich Wirkung bei den Tierfreunden im Ausland. Genauso läuft es mit Spenden. Dramatische Beschreibung, ein paypal – Konto und schon fließt das Geld.
Desweiteren sind wir natürlich angehalten die Tiere in Ungarn ordentlich impfen zu lassen und diverse Krankheiten zu erkennen, in Zusammenarbeit mit fachkundigen Personal vor Ort. Auch das war in einigen Stationen leider nicht immer einfach. In Ungarn muss niemand eine Sachkundeprüfung ablegen und Tierliebe alleine hilft uns nicht viel. Auch die Tierärzte arbeiten nicht immer so wie man es aus Deutschland kennt. Auch das ist für uns als Verein Schwerstarbeit hier eine vernünftige Basis zu schaffen.
Wir müssen Prävention vor Ort leisten, was auch in unserem Sinne ist. Kastrationen unterstützen, Aufklärungsarbeit und auch persönliche Besuche vor Ort sind erwünscht. Hier bin ich bei dem Knackpunkt was uns von so einigen Vereinen unterscheidet. Wenn man sich diverse Vereinsseiten im Internet ansieht fragt man sich schon oft, haben diese Vereine keine Auflage vom Amt oder was/wo helfen sie überhaupt? Wir nennen diese Vereine „Abfischvereine“ sie ziehen durch Ungarn (oft auch noch andere Länder) und fischen sich aus vielen Stationen Hunde heraus die auf dem deutschen „Tierschutzmarkt“ (oder auch anderes Land) gut vermittelbar sind. Die Herkunft ist völlig uninteressant. Oftmals fällt man hier auf vermeintliche „Tierschützer“ in Ungarn rein, die gerade solche Schnäppchenhunde von „Züchtern“ kaufen. Auch wir mussten uns schon aus solch einem Grund von einem ungarischen Verein trennen.
Dann haben wir immense Auflagen bzgl. Pflegestellen, da diese quasi „Minitierheime“ sind und jeden Zugang akribisch dokumentieren müssen, von der Ankunft bis zur Vermittlung. Durch die Einführung dieser Regelung trennte sich schnell die Spreu vom Weizen und die meisten Interessenten die Pflegestelle werden wollten schreckten zurück als sie unsere Bedingungen gelesen haben. Eigentlich sind sie leicht erfüllbar, ganz nachvollziehen kann man es oft nicht.
Dann kommen wir zu den Transporten. Wir haben einen kleinen Fuhrpark. 3 Autos und diese müssen alle als zugelassenes Transportmittel geführt werden bzw. dementsprechend auch ausgestattet sein. Es sind unsere Taxis die die Hunde von zentralen Abholstellen in Deutschland abholen und in verschiedene Richtungen fahren. Unser großes Transportfahrzeug kam mit fast 300 000 km in die Jahre und konnte abgelöst werden. Durch unseren eigens für TIN gegründeten ungarischen Transporteur „Cimborak“ und Unterstützer von Livias Tierhilfe in Zala konnten wir einen verlässlichen Partner finden der sich um die technische Wartung des nagelneuen Transportbusses kümmert. Hierüber sind wir sehr dankbar, da es das Arbeitspensum von uns allen gesprengt hätte. Selbstverständlich erfüllt das neue Fahrzeug alle Auflagen nach der Tierschutztransportverordnung 2005/I
Alles in allem ist die Vermittlung der Hunde, die Logistik der Transporte, die Verwaltung der Pflegestellen ein immenser Aufwand, der zu geschätzte 70 % unserer Freizeit neben unseren Hauptberufen einnimmt. Der Arbeitsaufwand entspricht mittlerweile einem mittelständischen Unternehmen. Durch die Corona Krise wurde uns noch mehr bewusst daß wir eigentlich schon viele Jahre in einem quarantäneähnlichen Zustand leben. Kaum Freizeit, viel am heimischen PC sitzen, wenige soziale und persönliche Kontakte zu Menschen die mal nichts mit Hunden am Hut haben 😉
Häufig ist man am Boden, möchte alles hinwerfen, braucht einfach mal Ruhe. Dann kommen wieder einige Fotos von Hundehaltern und Berichten von „Ehemaligen“ die einem zeigen, daß es doch noch eine gute Seite gibt und diese ganze Mühe wert war.
Aber in der Coronakrise kam wieder der große Zweifel und die Frage nach dem Warum….
In Ungarn leben inzwischen viele Deutsche, Österreicher, Holländer, Schweizer etc. die Tiere ins westliche Europa vermitteln. In Ungarn benötigt man keine Genehmigung wie wir sie haben. Jeder kann Hunde quasi einsammeln, egal woher auch immer und sie über facebook und andere soziale Medien zur Vermittlung anbieten. Niemand benötigt eine Transportgenehmigung, da Transporteure in Ungarn für diese Leute transportieren dürfen als wenn sie der Ursprungshalter wären. Und es gibt auch genügend Leute die Hunde ohne Traces, immer wieder mit ihrem Privatwagen nach D fahren. Ohne jegliche Vorkontrolle, einfach Hund abliefern und wenn der Platz doch nicht gut ist, fährt der Hund halt wieder zurück nach Ungarn. Pflegestellen haben sie auch in D und da die Tiere ohne Traces nach D kommen kann diese PS auch niemand prüfen. Das Gesetzt besagt, sobald ein Tier nach D kommt um an Dritte gegen Geld vermittelt zu werden benötigt derjenige der das Tier nach D verbringt eine Erlaubnis nach §11 Tierschutzgesetz. Es gilt hier nicht die 5-Hunde-Regelung!!! Die Frage ist nur, wer prüft das? Nämlich niemand.. weil ab diesem Punkt die Vorschrift im Sande verläuft…
Für uns als super transparent arbeitender Verein wird es immer schwieriger zu arbeiten wie es unsere Erlaubnis vorgibt. Wir verwalten uns quasi zu Tode obwohl wir doch nur gewillt sind alles ordentlich zu machen.
Und auch jetzt in der Coronakrise bekommen wir das wieder zu spüren. Wir können nur von Bayern sprechen. Es gibt vom bayr. Ministerium einen Erlass (siehe Hauptseite unsere Homepage) daß es während der Corona-Krise kein triftiger Grund ist Hunde von Ungarn nach Deutschland zu verbringen. ABER – ich bekomme immer wieder Informationen und Anfragen (warum es bei uns nicht geht), daß Hunde aus Rumänien und Ungarn auch nach Bayern verbracht werden und einige Veterinärämter hierzu auch noch ihren Segen geben und die Traces bestätigen, egal ob ein Tierheim, Pflegestelle oder Endstelle. Es ist alles dabei. Es ist doch vollkommen klar, daß Privatleute die in Ungarn sitzen und ihre nach Deutschland vermittelten Hunde transportieren lassen können klar im Vorteil sind zu Vereinen wie z.B. TIN. Sie müssen kein Amt um Genehmigung ihres Transportes fragen! Hinzu kommt noch erschwerend der Föderalismus unserer Länder.. ein Importverbot aus dem Ausland von Hunden und Katzen in der Coronakrise“ trifft leider nur einige Bundesländer. Die Mehrzahl der Bundesländer erlaubt es!
Auch ist klar, daß Interessenten von Hunden auf andere Vereine umspringen und sich dort einen Hund aussuchen.
Den Sinn des Sprichwortes „ehrlich währt am längsten“ muss ich hier hinterfragen!
Wir sind in dieser Zeit definitiv die Verlierer… oder sind wir der bessere Part weil wir die Leute die Transporte fahren, Adoptanten etc. vor Ansteckungen schützen? Man kann es sehen wie man will – für uns steht auch der Schutz der Menschen mit im Vordergrund.
Danke auf jeden Fall an alle bei TIN die immer wieder viel Zeit investieren Nur wer mal hinter die Kulissen geschaut hat weiß, was für einen immensen Aufwand so ein kleiner Verein betreiben muss um die Auflagen zu erfüllen. Und trotz allem – können wir aktiv in der momentanen Situation einfach nichts tun!